Vortrag von Prof. Dr. Ferdinand Holböck beim „Priesterwerk“ in Altötting 5./6. November 1971 in Altötting

Caterina von Siena (1347 – 1380) über das Priestertum

Caterina von Siena, neben Teresa von Avila die erste Kirchenlehrerin, hat sich auffallend stark mit dem Amtspriestertum, wie es ihr in Päpsten, Kardinälen, Bischöfen und einfachen Priestern gegenübertrat, auseinandergesetzt und leidenschaftlich erlebt und gespürt, wie die Reform der Kirche immer von der Reform des Klerus ihren Ausgang nehmen muss. Es ist aufschlussreich, dem Thema „Priester und Priestertum“ in den 380 Briefen und im „Dialog“ der Heiligen nachzugehen, weil sich dabei manche Parallelen zur heutigen Situation des Klerus und der Kirche zeigen.

Caterina von Siena kommt aus den unteren Volksschichten; sie lernte erst mit 20 Jahren das Lesen und mit 30 Jahren erst das Schreiben und beschloss mit 33 Jahren in Rom ihr Leben, wo sie die letzten Lebensjahre in Gebet und Buße und vielen Leiden für die Kirche und den Klerus verbracht hatte. Caterina, dieses 25. Kind der arbeitsamen, aber rauen Monna Lapa war bis zum 6. Lebensjahr Kind wie andere auch, durch nichts hervorragend, dann aber wurde sie durch eine Christusvision aus der gewöhnlichen Bahn geworfen, in der sie sich wie ihre Eltern, Geschwister und andere Menschen der damaligen Zeit bewegt hatte. Der Vater musste nun von seiner Tochter bekennen: „Es ist etwas an ihr, das nicht in unseren engen bürgerlichen Rahmen passt.“ Man wollte die herangereifte Caterina von ihrem vielen Beten und Fasten abbringen, auf „vernünftigere“ Gedanken bringen, man wollte sie verheiraten, aber sie widersetzte sich dem energisch. Sie ging aber auch nicht in ein Kloster. Sie bedurfte zu ihrer Sendung einer größeren Freiheit, als ihr die Ehe oder der Ordensstand gewährt hätten. Caterina bewarb sich nur um die Aufnahme in den III. Orden des hl. Dominikus.

Mit dieser Aufnahme war die erste Etappe im Leben der Heiligen abgeschlossen. Bisher hatte sie gegen äußere Widerstände kämpfen müssen. Nun, da sie ganz zurückgezogen im Elternhaus lebte, konnte sie den Kampf gegen den inneren Feind fortsetzen. Um dem himmlischen Geliebten, dem sie sich geweiht hatte, ganz wohlgefällig zu werden, reinigte sie ihre Seele durch Härte gegen sich selbst in vielen Bußwerken. Wie es bei jeder jungen Liebe zu gehen pflegt, führte ihre Leidenschaft sie zu Übertreibungen. Später erkannte sie Maß und Grenze der Aszese und schrieb: „Buße darf nur ein Mittel zur Entfaltung der Tugenden sein. Sie soll stets dem Bedürfnis des Einzelnen und seinen seelischen Möglichkeiten entsprechen.

Catharinas Visionen häuften sich nun. Als sie 19 Jahre alt war, erschien ihr Christus und sprach: „Tu von nun an, meine Tochter, mannhaft und ohne zu wanken, was meine Vorsehung in deine Hände legen wird! Du bist mit der Kraft des Glaubens gestärkt worden. So wirst du alle deine Widersacher siegreich überwinden!“ Gott befahl ihr, unter den Menschen apostolisch zu wirken. Catharina aber widerstrebte: „Jetzt, da du mir alles bedeutest, sagst du mir, ich solle gehen und zu den Menschen zurückkehren? Dabei werde ich wohl sicher das Licht wieder verlieren, das ich jetzt besitze?“ Der Herr aber antwortete ihr: „Sei ruhig, du sollst tätig sein, um den anderen zu helfen. Ich will mich dabei keineswegs von dir trennen, vielmehr möchte ich dich durch die Liebe zum Nächsten noch enger an mich binden. Du musst die Menschen zu Teilhabern des Heils machen, das du genießt!“ Sie entgegnete: „ich bin doch nur eine Frau, und es steht den Frauen nicht zu, zu lehren und Apostel zu sein! Vor ihnen hätten die Männer keinen Respekt. Außerdem gehört es sich nicht, dass eine Frau sich mit Männern unterhält.“ Aber auch dieser letzte Widerstand gegen ihre Berufung und Sendung wurde überwunden.

Hatte Catharina wie wohl jeder andere Mystiker auch zuerst den Drang in sich gefühlt, einzig und allein für Gott da zu sein und sich ganz Gott allein hingeben zu müssen und alles andere abzuweisen, so begann sie bald schon zu verstehen, wie ihre Liebe zu Gott, um sich nach außen als echt kundzutun, auf die Mitmenschen überströmen müsse. Sie trat nun aus ihrer Einsamkeit heraus und begann, die Kranken in den Spitälern zu besuchen sowie Notleidende, verschämte Arme in der Nachbarschaft und sogar Aussätzige zu betreuen. Ihr beschauliches Leben erlitt bei dieser caritativen Tätigkeit keinerlei Einbuße: die Visionen und Ekstasen gingen vielmehr unvermindert weiter; Mystik und caritative Tätigkeit förderten sich bei Catharina gegenseitig so sehr, dass sie einen ungeahnten Grad der Steigerung erreichten. Aber sie war noch nicht am Ziel ihrer eigentlichen Berufung, die in erster Linie der hierarchisch verfassten Kirche, dem Papst und den Priestern gelten sollte.

In ihrem 24. Lebensjahr erlitt Catharinas Gesundheit einen totalen Zusammenbruch. Vier Stunden lang lag sie völlig leblos auf dem Lager. Man hielt sie für tot. Als sie wieder zu sich kam, erklärte sie, sie sei gestorben, damit Christus in ihr lebe, sie sei aber auf Befehl Gottes zur Erde zurückgekehrt, um ihre apostolisches Wirken zu erweitern. Tatsächlich entfaltete sie, die bisher kaum über den Bereich der Stadt Siena hinausgekommen war, seit ihrem mystischen Tod eine intensive Tätigkeit, die weit über die Grenzen Italiens hinausgriff und weltgeschichtliche Folgen haben sollte in der Friedenspolitik und Kirchenpolitik, die sie nun in höherem Auftrag betrieb.

Dabei lernte Catharina nun der Reihe nach Priester kennen. Zuerst mehr solche, die ihr feindselig gesinnt waren und sie für eine scheinheilige Hysterikerin hielten. Gerade Priester aus dem Dominikanerorden verfolgten sie teilweise mit unbeschreiblicher Gehässigkeit; man warf sie aus der Kirche auf die Straße hinaus, trat sie brutal mit Füßen, quälte sie in ihren Ekstasen, verweigerte ihr die Sakramente und beschimpfte sie pöbelhaft; der Dominikanergeneral zitierte sie vor das Generalkapitel des Ordens in Florenz, wo sie über ihr Leben und Tun Rechenschaft ablegen sollte. Aus all diesen Prüfungen ging Catharina jedoch innerlich und äußerlich siegreich hervor, sie wuchs an Liebe und Kraft und wurde glänzend gerechtfertigt.

Man möchte meinen, diese magere, blasse, kränkliche junge Frau, die unaufhörlich betete, fast nichts aß, sich selbst kasteite und oft in Ekstase erstarrte, habe recht abstoßend gewirkt, aber das Gegenteil war der Fall, sie besaß schließlich eine ungeheure Anziehungskraft für jene, die sie näher kennenlernten. In den Kreis ihrer Bewunderer traten bald gelehrte Ordensmänner, die sich anfangs ihr gegenüber sehr skeptisch verhalten hatten. Raimund von Capua (+ 5. Okt. 1399), der gelehrte Theologe und spätere 23. General des Dominikanerordens, der anfangs Catharina sehr kritisch gegenüberstand, wurde bei näherer Bekanntschaft mit ihr von Bewunderung für sie ergriffen, er wurde später ihr Beichtvater, Mitarbeiter und Biograph. Gerade aus den Briefen, die Catharina diesem seliggesprochenen Priester schrieb, lässt sich viel herausholen über ihre Sicht des Amtspriestertums, dessen Salböl gemäß der Mystik der hl. Catharina nicht so sehr das Chrisam, sondern das Kostbare Blut des ewigen Hohenpriesters Jesus Christus ist. Das gehört unbedingt beachtet. Fast jeden ihrer Briefe schreibt Catharina „im kostbaren Blut Jesu“. Das Blut ist ihr Symbol der priesterlich sich hinopfernden Liebe Christi und bedeutet für sie Hingabe, Opfer, Gnade erneuertes Leben und Erlösung. Es regte Catharina zu überschwänglichen Aussprüchen an, die für uns rationalistisch nüchtern denkende Menschen des 20. Jahrhunderts kaum mehr zu verstehen sind: „Ich will Blut und im Blut befriedigt sich meine Seele!“ “Ich will, dass ihr untertaucht in diesem süßen Blut, das vom Feuer der Liebe Jesu durchdrungen ist“, so schreibt sie an Priester. „Ohne dieses Blut sind wir verloren.“ „Dieses Blut wurde der Kirche anvertraut, es gibt den Sakramenten ihre Lebenskraft.“ Wir empfangen es durch den Papst, den „Kellermeister des Blutes“, durch die Bischöfe und Priester. „Wer den Stellvertreter Christi missachtet, missachtet das Blut. Wer gegen den einen ist, ist gegen das andere, denn die beiden gehören zusammen.“ Das Blut ist das zentrale Symbol in Catharinas Sicht der priesterlichen Amtsträger in der Kirche vom Papst bis zum letzten Priester.

Diese Blutmystik Catharinas wird besonders stark spürbar in folgenden Sätzen, die sie an ihren Beichtvater Raimund von Capua schreib: „Tauchet unter im Blut des Gekreuzigten, badet Euch im Blute. Sättigt Euch im Blute. Kleidet Euch im Blute. Und wenn Ihr schwach geworden seid, taufet Euch wieder im Blute. Und wenn der Teufel euch das Auge des Verstandes getrübt hat, so waschet Euch das Auge im Blute. Wenn ihr undankbar wart und die Gnadengaben nicht erkanntet, seid dankbar im Blute... In der Wärme des Blutes verjagt die Finsternis, damit ihr ein ganz an die Wahrheit hingegebener Bräutigam seid, ein echter Hirte und Führer der Schafe, die euch anvertraut sind!“ (Brief 93)

Um Catharinas Auffassung von der Würde und Größe des Amtspriestertums, vom päpstlichen Primat in der hierarchisch verfassten Kirche, von der Stellung der Bischöfe und Priester aufzuzeigen, müsste man der Reihe nach ihre wichtigsten Briefe zur Kenntnis bringen und diese dann deuten, angefangen von den Briefen an die Päpste Gregor XI. und Urban VI. bis zu den Briefen an Kardinäle und an ihre Beichtväter. Es sind kühne, ja erschütternde Briefe, die in einer ungemein offenen, aber dabei doch immer von größter Liebe zur Kirche und von größter Ehrfurcht gegen das hierarchisch gestufte Amtspriestertum diktierten Sprache geschrieben sind.

Es seien aus diesen Briefen kommentarlos nur besonders aktuelle Stellen herausgegriffen – sie sprechen für sich allein schon eine sehr deutliche Sprache -; dazu sei auch noch aus Caterinas „Dialog“ das 123. Kapitel im vollen Wortlaut zur Kenntnis gebracht:

1. Sätze aus den Briefen an Papst Gregor XI.:

„...zeigt Euch, Hl. Vater, als ein mannhafter Mann und ohne jede knechtische Furcht, dem Beispiel des guten und süßen Jesus folgend, dessen Stellvertreter Ihr seid... Richtet Euer ganzes Augenmerk auf das geopferte Lamm, denn das Blut dieses Lammes wird Euch zu jedem Kampf stärken! Im Blute werdet Ihr jede Furcht verlieren, ein guter Hirte werdet Ihr dann werden und sein. Und Ihr werdet Euer Leben einsetzen für Eure Schafe!... Mir scheint, dass die ewige Güte sich bereit macht, die großen Wölfe in Schafe zu verwandeln... Ihr aber – das bin ich sicher – werdet sie wie ein Vater aufnehmen, ungeachtet der Beleidigungen und Verfolgungen, die sie euch zugefügt haben; Ihr werdet der süßen Wahrheit folgen, die besagt, dass der gute Hirte, wenn er ein verirrtes Schaf gefunden hat, es auf seine Schultern nimmt und zum Schafstall zurückbringt. Ja, so werdet Ihr es machen, Vater, das verirrte Schaf, da es wiedergefunden ist, werdet Ihr auf die Schulter der Liebe nehmen und der heiligen Kirche zurückstellen!“ (Brief 6 von Ende März 1376)

„Hl. Vater, Eure unwürdige und armselige Tochter Caterina in Christus, dem süßen Jesus, empfiehlt sich euch in seinem kostbaren Blute, im Verlangen, Euch mannhaft zu sehen, ohne irgendwelche Furcht oder fleischliche Liebe zu Euch selbst oder zu irgendeiner Kreatur, die dem Fleische nach mit Euch verwandt ist. Erwäget und erkennt vor Gottes süßem Angesicht, dass nichts Euer heiliges Verlangen so sehr hemmt und Anlass ist, die Ehre, Erhöhung und Erneuerung der heiligen Kirche z u verhindern, als gerade dies... Gott möge durch seine unendliche Barmherzigkeit jede Leidenschaft und jede Lauheit von Euch nehmen und Euch zu einem anderen Menschen umformen... Gott fordert von Euch, dass Ihr Gerechtigkeit übt gegen das Übermaß an Ungerechtigkeit, von denen begangen, die sich nähren und weiden im Garten der heiligen Kirche... Hütet Euch, so lieb euch das Leben ist, dass Ihr nicht der Nachlässigkeit schuldig werdet und spielt nicht mit der Vollmacht des Hl. Geistes, die Euch auferlegt ist, weil Ihr sie vollstrecken könnt! Wenn Ihr Gerechtigkeit wollt, so könnt Ihr sie auch vollziehen. Frieden könnt Ihr haben, wenn Ihr von Euch werft die eitle Pracht und Weltfreude und nur Gottes ehre begehrt und das, was der heiligen Kirche geziemt. Die Gewalt, den Frieden denen zu geben, die ihn von euch verlangen, habt Ihr. Ihr seid ja reich und nicht arm, denn Ihr haltet ja die Schlüssel des Himmelreiches in Händen; wem Ihr öffnet, dem ist es geöffnet, und verschlossen, wem Ihr es verschließt. Darum bitte ich Euch innig im Namen des gekreuzigten Christus, dass Ihr gehorsam seid dem Willen Gottes... auf dass nicht eines Tages das harte Wort an Euch ergehe: Verflucht seist du, dass du die Kraft und Zeit, die dir gegeben war, nicht benutzt hast!...“ (Brief 13 vom 30. Juni 1376)

„Ihr sollt die Braut Christi, die Kirche reformieren mittels guter Hirten und guter Vorgesetzter... Lasst euch nicht die Notwendigkeit aufdrängen, die Hirten nach fremdem Belieben und nicht nach dem Euren zu berufen. Es ist nämlich eine schlechte Maßnahme, aus irgendeinem Zwange Hirten und Vorgesetzte in die Kirche einzusetzen, die nicht tugendhaft und selbstlos sind... Die Hirten der Kirche dürfen nicht aufgeblasen sein von Hoffart, nicht Schweinen gleich durch den Schmutz des Lebenswandels, nicht dem Blatte gleich, das sich nach dem Wind des Reichtums und weltlicher Eitelkeit dreht!... Ihr bedürft der Hilfe Christi, des Gekreuzigten! In ihn also verlegt Eure Neigungen und Wünsche und nicht in die Menschen und die menschliche Hilfe!...“ (Brief 2 vom Januar 1377)

„Der Teufel scheint Besitz ergriffen zu haben von der Welt, nicht durch sich selbst, da er nichts vermag, aber dadurch, dass wir sie ihm übergaben. Wohin ich mich wende, sehe ich, dass jeder dem Teufel die Schlüssel zuträgt, die Schlüssel der freien Willkür und des verkehrten Willens! Ich sehe die Laien, aber auch die Mönche und die Geistlichen irdischen Freuden, Ämtern und Reichtümern der Welt mit großer Verworfenheit und Niedertracht entgegenlaufen. Was ich aber vor allen anderen Dingen als höchst abscheulich vor Gott ansehen muss, das sind die Blumen (die Priester), die in den mystischen Garten der heiligen Kirche gepflanzt sind und duftende Blumen sein sollten und deren Leben ein Spiegel der Tugenden sein sollte und die selber wahre Liebhaber der Ehre Gottes und des Heiles der Seelen sein müssten. Aber es entquillt ihnen nur Erbärmlichkeit und Fäulnis; sie sind Liebhaber ihres eigenen Selbst, sie vereinen ihre eigenen Fehler mit denen der anderen; besonders groß ist ihr Anteil an der Verfolgung, die an der süßen Braut Christi und an Eurer Heiligkeit jetzt geschieht!... Gott will und fordert von Euch, Hl. Vater, dass Ihr, Eurer Macht gemäß, die Herrschaft den Händen des Teufels wieder entreißt. Legt Hand an, von den Dienern der heiligen Kirche die Fäulnis wieder wegzunehmen. Reißt die stinkenden Blumen aus und pflanzt die duftenden ein, tugendhafte Männer, die in der Furcht Gottes leben!...Gott will auch, dass ihr mehr auf die Seelen und auf die geistigen Dinge achtet als auf die zeitlichen! Geht mutig ans Werk, da Euch Gott zur Seite steht! Bemüht Euch ohne jede Furcht und verzagt nicht ob der großen Bedrängnis und Mühsal! Tröstet Euch mit Christus, dem süßen Jesus! Denn aus den Dornen ersteht die Rose, und die vielen Verfolgungen führen zur Neugestaltung der heiligen Kirche und zu dem Lichte, das die Finsternis von den Christen hebt und das Leben der Ungläubigen und die Erhöhung des heiligen Kreuzes herbeiführt!...“ (Brief 12 vom 16. April 1377)

2. Aus den Briefen an Papst Urban VI.:

„Verzeiht mir, Hl. Vater: die Liebe drängt mich, Dinge zu sagen, die man vielleicht nicht sagen sollte. Aber ich weiß, dass Ihr die Eigenart Eurer römischen Kinder kennenlernen müsst; sie lassen sich viel eher durch liebes Entgegenkommen als durch andere Gewalt und durch harte Worte fangen und binden. Ebenso wisst Ihr, wie sehr es Euch und der heiligen Kirche nottut, dieses Volk in Gehorsam und Ehrfurcht gegen eure Heiligkeit zu bewahren, denn dort ist das Haupt und die Quelle unseres Glaubens. Und ich bitte Euch demütig, achtet darauf, nur so viel zu versprechen, als Euch möglich ist, restlos zu erfüllen, damit nicht etwa Schaden, Schande und Verwirrung daraus folgt!“ (Brief 22 vom 30. Januar 1380)

„...Das Licht des Geistes hatte ich in der ewigen Dreieinigkeit geschaut. Und ich sah in diesem Abgrund die Würde des Menschen, dem Vernunft eigen ist; und sah das Elend, in das der Mensch durch die Schuld der Todsünde fällt und sah die Notwendigkeit der heiligen Kirche, die Gott in meinem Herzen offenbarte... Ich sah, dass diese Braut, die Kirche, Leben spendet; und dass sie solche Fülle des Lebens in sich hat, dass niemand sie töten kann und dass sie Kraft und Licht spendet, und dass keiner sie schwächen noch in ihrer Wesenheit verdunkeln kann; und ich sah, dass ihr Reichtum niemals versiegt, sondern stets wächst. Da sprach Gott, der Ewige (zu mir): Die Größe dieser Würde, die dein Geist nicht zu erfassen vermag, ist euch durch mich geschenkt. Blicke also hin mit Schmerz und Bitterkeit, und du wirst sehen, das man nur durch das äußere Gewand, nämlich durch das, was zeitlich ist, zu dieser Braut gelangt. Aber du siehst die Wünsche derjenigen, die ihr Mark suchen, nämlich die Frucht des Blutes. Wer aber den Preis der Liebe nicht in wahrer Demut und im Lichte des Glaubens trägt, dem bringt diese Frucht nicht Leben, sondern Tod; und er handelt wie ein Dieb, der fremdes Eigentum stiehlt. Denn die Frucht des Blutes gehört jenen, die den Preis der Liebe bringen; ist doch die Kirche gegründet auf Liebe und selber Liebe. Und aus Liebe will ich – spricht Gott, der Ewige -, dass jeder ihr dementsprechend spende, wie er empfangen hat, so wie ich meine Diener auf verschiedene Weise dienen lasse. Aber ich muss trauern darüber, dass ich keine Diener hier finde, es scheint, dass jeder sie verlassen hat. Doch ich werde Abhilfe schaffen. Da wuchs der Schmerz und das Feuer meines Verlangens in mir und ich schrie empor zu Gottes Angesicht: „Was kann ich tun, o unschätzbares Feuer?“ Und seine Güte antwortete mir: „Opfere dein Leben von neuem auf. Und gönne dir niemals Ruhe. Zu dieser Arbeit habe ich dich berufen und bestimmt, dich und alle, die dir folgen werden. Seid also darauf bedacht, dass euer Verlangen niemals nachlasse, sondern stets wachse; denn ich stütze euch in Liebe mit meiner Gnade, körperlich und geistig. Auf dass euer Geist sich mit nichts anderem befasse, habe ich einen Sporn demjenigen gegeben, den ich zu eurer Leitung berufen habe, und ich habe ihn in geheimnisvoller Weise neu in dieses Amt eingesetzt... Ihr aber sollt in demütigem, treuem Gebet und in jenen notwendigen Mühen der Kirche dienen, die dir und ihnen von meiner Güte aufgetragen werden, jedem nach seiner Stellung. Gib also um meinetwillen in völliger Selbstentäußerung dein Leben, dein Herz, diene Liebe dieser Braut, der Kirche, hin. Schau auf mich und erkenne den Bräutigam jener Braut, den obersten Hirten nämlich, und siehe auf seine große, heilige Absicht. Und wie die Braut einzig ist, so auch der Bräutigam. Ich gestatte, dass er in seiner Art, wenn er auch maßlos ist, durch die Furcht, die er seinen Untergebenen einflößt, die heilige Kirche reinigt. Aber andere werden kommen, die sie wieder mit Liebe erfüllen und leiten werden; und es wird mit dieser Braut geschehen wie mit der Seele: zuerst ergreift sie Furcht und dann, wenn sie von Lastern befreit ist, erfasst Liebe sie und bekleidet sie mit dem Gewand der Tugend...Du aber sage meinem Stellvertreter, dass er sich seiner Macht entsprechend beruhige und jedem den Frieden verleihe, der ihn empfangen will. Und sage den Säulen der heiligen Kirche, sie mögen, falls sie dem großen Verderben Einhalt setzen wollen, folgendermaßen handeln: sie sollen sich einigen, sie sollen den anderen ein Mantel sein, um die Maßregeln zu verdecken, die ihnen an ihrem Vater fehlerhaft erscheinen; sie sollen ein geordnetes Leben führen und sich auf der Seite derer einfinden, die mich lieben und fürchten, indem sie sich selbst verdemütigen. Dann werde ich, der ich das Licht bin, ihnen jenes Licht geben, das der Kirche notwendig ist. Und wenn sie eingesehen haben, was sie tun sollen, dann sollen sie es in wahrer Eintracht, kühn, rasch und mit großer Überlegung meinem Statthalter unterbreiten. Dann wird er gezwungen sein, ihrem guten Willen nicht zu widerstehen, weil er ja doch heilige, gute Absichten verfolgt... (Brief 37)

3. Aus den Briefen an Kardinal Pierre d’Estaing:

„...Ich will, dass Ihr den Spuren des gekreuzigten Christus folgt mit einem männlichen Herzen und mit tatbereiter Besorgtheit, indem Ihr Euch nicht gehen lasst, weder durch Schmerz, noch durch Annehmlichkeit, sondern ausharrt bis zum Ende in dieser und in jeder anderen Tätigkeit, die Ihr unternehmt für den gekreuzigten Christus. Achtet, auszurotten die Schlechtigkeit und das Elend der Welt, die aus den vielen Fehlern kommen, die begangen werden und dem Namen Gottes zur Schmach gereichten!... Bindet Euch an den gekreuzigten Christus und folgt seinen Spuren mit wahren, wirklichen Tugenden! Und mit den Nächsten verbindet Euch durch die Taten der Liebe!“ (Brief 23 vom Sept. 1370)

...Ich verlange, euch als mannhaften und nicht als ängstlichen Menschen zu sehen, damit Ihr mannhaft der Braut Christi dient, wirkend für die Ehre Gottes, geistlich und zeitlich, gemäß dem, was in dieser Zeit diese süße Braut nötig hat. Ich bin gewiss, wenn das Auge Eures Verstandes aufblickt, ihre Not zu sehen, werdet Ihr es eifrig und ohne jede Furcht und Nachlässigkeit tun. Die Seele, die in knechtischer Furcht fürchtet – keine Handlung von ihr ist vollkommen! Und in welchem Stande sie immer auch sei, in den kleinen Dingen wie in den großen, immer versagt sie; was sie anfängt, führt sie nicht zur Vollendung. O wie gefährlich ist diese Furcht! Sie schneidet dem heiligen verlangen die Arme ab. Sie macht den Menschen blind und lässt ihn die Wahrheit nicht sehen noch erkennen. Denn die knechtische Furcht geht hervor aus der Blindheit der Eigenliebe zu sich selbst. Sobald nämlich das vernunftbegabte Geschöpf sich mit sinnlicher Eigenliebe liebt, fürchtet es sofort. Und der Grund, warum es fürchtet? Weil es seine Liebe und seine Hoffnung auf ein schwaches Ding gesetzt hat, das in sich keine Festigkeit und Beständigkeit hat, vielmehr vorübergeht wie der Wind. O Verkehrtheit der Liebe, wie schädlich bist du den geistlichen... Wenn einer Prälat ist, bessert er sich nicht, denn er fürchtet die Prälatur zu verlieren und seinen Untergebenen zu missfallen. Und so ist diese falsche Selbstliebe auch den Untergebenen in gleicher Weise schädlich, denn Demut ist nicht in jenem, der sich mit einer derartigen Liebe liebt; vielmehr eingewurzelter Stolz und der Stolz ist niemals gehorsam... weil also die Eigenliebe zusammen mit der ungeordneten Furcht gefährlich ist, ist diese zu fliehen und ist das Auge des Verstandes zu öffnen, um das unbefleckte Lamm vor Augen zu haben, das uns Regel und Lehre ist, und ihm müssen wir folgen. Denn es ... sucht nichts anderes als die Ehre des Vaters und unser Heil. Es fürchtet nicht die Juden und ihre Verspottung, nicht die Bosheit der Dämonen, noch Verleumdung oder Spott, noch grobe Behandlung. Und zuletzt fürchtet es auch nicht den schmachvollen Tod am Kreuze. Wir sind die Schüler, die in diese süße und anmutige Schule gegeben sind... achtet also auf nichts anderes als auf die Ehre Gottes, das heil der Seelen und auf den Dienst an der süßen Braut Christi. Denn mit diesem Lichte werdet Ihr ablegen die Eigenliebe zu euch selbst und anziehen die göttliche Liebe... Ihr seht doch gar wohl, dass die göttliche Güte Euch in den geheimnisvollen Leib der heiligen Kirche gesetzt hat, Euch nährend an der Brust dieser süßen Braut, allein weil Ihr esst am Tisch des heiligen Kreuzes die speise der Ehre Gottes und des Heils der Seelen. Er will nicht, dass anders gegessen werde als am Kreuz, im Tragen der leiblichen Mühe mit vieler Angst des Verlangens. So machte es der Sohn Gottes, der zusammen die Qualen des Leibes und den Schmerz des Verlangens trug. Und größer war das Kreuz des Verlangens als das leibliche Kreuz. Und sein Verlangen war dieses: der Hunger nach unserer Erlösung, um den Gehorsam gegen den ewigen Vater zu vollbringen... Ich bitte euch also um der Liebe des gekreuzigten Christus willen, dass Ihr mannhaft handelt und die Ehre Gottes fördert, wann und wie viel Ihr könnt, ratend und helfend, dass das Laster vernichtet und die Tugend erhöht werde... Ich bin gewiss: wenn Ihr den neuen Menschen, Christus, den süßen Jesus, angezogen und den alten Menschen, das ist die eigene Sinnlichkeit abgelegt habt, dann werdet Ihr eifrig (Euren Dienst an den Seelen und an der Braut Christi, der Kirche) ausführen, weil Ihr dann der knechtischen Furcht ledig seid. Auf andere Weise würdet Ihr es niemals fertig bringen...“ (Brief 24 vom Okt. 1370)

4. Aus dem Brief an den Apostolischen Nuntius Gerard du Puy:

„...Zwei besondere Dinge, durch die die Braut Christi entstellt wird, sollten verschwinden am lieben Christus auf Erden (am Papst): das eine ist die zu große Sorge und Zärtlichkeit für seine Verwandten..., das andere das Zuviel an Milde, das in einer übertriebenen Barmherzigkeit begründet ist. O weh, o weh! Das ist ja die Ursache, dass die Glieder (des geheimnisvollen Leibes Christi) faulen, weil die Zurechtweisung unterbleibt! Und besonders gelten Christus drei verkehrte Laster als Übel (in der Kirche): die Unreinheit, die Habsucht und der aufgeblähte Stolz, der in der Braut Christi herrscht, nämlich in den (Priestern, vor allem in den) Prälaten, die auf nichts achten als auf Vergnügen, Würden und Reichtum. Sie sehen die höllischen Dämonen die Seelen der ihnen Anvertrauten davontragen und kümmern sich doch nicht darum; sie sind nämlich Wölfe geworden und Wiederverkäufer der göttlichen Gnade. Da braucht es also eine starke Gerechtigkeit, um diese zurechtzurichten; denn das zu große Erbarmen ist die größte Grausamkeit. Aber mit Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sollte zurechtgewiesen werde...“ (41. Brief vom Oktober 1371)

5. Das Kapitel 123 im „Dialog“ (eigentlich: „Libro della divina provvidenza“, zwischen 1377-78 entstanden): Hier spricht Gott die hl. Caterina so an: „Höre jetzt, vielgeliebte Tochter! Damit du und meine anderen Diener mehr Grund habt, mir für sie demütige, andauernde Gebete darzubringen, will ich dir das sündhafte Leben von nur zu vielen meiner Priester zeigen und beschreiben. Nach welcher Seite du auch schaust, auf Weltpriester oder Ordensleute, auf den niederen Klerus oder auf die Prälaten, auf junge oder alte Leute jeden Standes, überall siehst du nur Beleidigungen. Alle verbreiten sie die Ansteckung ihrer Todsünden, aber dieses Gift kann nicht mich erreichen noch mir schaden, nur ihnen allein ist es tödlich... Weißt du, meine Tochter, welches die Grundursache ihrer Verirrung ist? So vernimm es mit dem Weh und der Bitterkeit deines Herzens! In der Eigenliebe, in der Liebe zu sich selbst ist der Baum des Stolzes entsprungen, der die Blindheit zum Schössling hat, den Mangel an Unterscheidung. Entblößt des Sinnes für das Geistige, setzen sie sich kein anderes Ziel mehr, als Ehre und Ruhm. Sie lauern auf hohe Prälaten Würden, sie haben keinen anderen Ehrgeiz als den nach Prunk und Verweichlichung des Leibes, für mich aber haben sie nur Widerwillen und Beleidigungen. Sie schreiben sich selbst das zu, was ihnen nicht gehört, und geben mir, was mir nicht gehört. Mein aber ist der Ruhm, die Ehre meins Namens, das schuldeten sie mir! Sie hätten ein Anrecht auf den Hass ihrer eigenen Sinnlichkeit durch wahre Selbsterkenntnis und auf das Gefühl ihrer Unwürdigkeit im Hinblick auf das große Geheimnis, das ich ihnen anvertraut habe. Sie aber, ganz angeschwollen von Stolz, können sich im Gegenteil nicht daran satt tun, die Erde der Reichtümer und der weltlichen Vergnügungen zu verschlingen. Sie sind gierig, habsüchtig, geizig gegen die Armen; und dieser Geiz geboren aus der sinnlichen Eigenliebe, lässt sie die Sorge für die Armen vernachlässigen. Sie haben Gedanken und Sorgen nur für die zeitlichen Dinge und meine Schafe, deren Obhut ich ihnen anvertraut habe, sind in ihren Händen Schafe ohne Hirten. Sie weiden sie ja nicht, weder geistig noch zeitlich.

Sie verwalten zwar, es ist wahr, geistig die Sakramente der heiligen Kirche, deren Kraft ihre Schuld weder zerstören noch vermindern kann. Aber sie ernähren nicht die Seelen durch ihr inbrünstiges Gebet, durch das glühende Verlangen nach ihrem Heil und durch ein ehrbares, heiliges Leben. Noch ernähren sie ihre Untergebenen mit zeitlichen Dingen, teilen den Armen nicht die Güter der Kirche aus, die sie in drei Teile teilen sollen, wie ich dir gesagt habe: den ersten für ihren Eigenbedarf, den zweiten für die Armen, den dritten zum Nutzen der Kirche. Weit entfernt davon, teilen sie nicht nur nicht an die Armen aus, was sie ihnen schulden, sondern entblößen die anderen noch durch Simonie. Aus Liebe zum Geld verkaufen sie die Gnade des Hl. Geistes. Oft sogar erreichen sie einen solchen Grad der Schlechtigkeit, dass sie, was ihnen umsonst gegeben ward, damit sie es ebenso weitergeben, denen verweigern, die es brauchen, bis sie die Hand gefüllt bekommen und man ihnen zahlreiche Geschenke gemacht hat, ihre Liebe zu denen, die ihnen unterstellt sind, bemisst sich genau nach dem Gewinn, den sie aus ihnen herausziehen, nicht mehr und nicht weniger. Alle Einkünfte der Kirche gehen auf den Einkauf prächtiger Gewänder, um sich fein gekleidet zu zeigen, nicht wie geistliche und Ordensleute, sondern wie Herren und Höflinge; sie haben Geschmack an schönen Pferden, zahlreichen goldenen und silbernen Gefäßen zur Zierde ihres Hauses und verwenden auf diesen Besitz, auch wenn es ihrem Stand noch so fremd ist, eine große Herzenseitelkeit, die sich in der Unordnung und im Leichtsinn ihrer Reden kundgibt. Sie träumen nur von Gastmählern und machen den Bauch zu ihrem Gott; maßlos essend und trinkend verfallen sie dabei alsbald in Unreinheit und Ausschweifung. Wehe, wehe über dieses ihr elendes Leben. Sie verprassen mit Huren, was des süßen Wortes, meines eingeborenen Sohnes, ist, erworben um den Preis so vieler Leiden am Holz des Kreuzes! So zerreißen und verschlingen sie durch tausend grausame Maßregeln die durch das Blut Christi erkauften Seelen. So ernähren sie ihre eigenen Kinder mit dem Erbteil der Armen!

O Tempel des Teufels! Ich hatte euch (Priester) erwählt, dass ihr Engel seiet in diesem Leben auf Erden, und ihr seid Dämonen! Und ihr habt das Amt der bösen Geister erwählt, die jene Finsternis verbreiten, die sie selber sind; die bösen Geister arbeiten, so viel an ihnen liegt, durch ihre Angriffe, ihre Versuchungen, um die Seelen der Gnade zu berauben, indem sie sie in die Todsünde ziehen... Tun das nicht auch jene Unglücklichen, die dessen unwürdig sind, meine Diener genannt zu werden? Sie sind eingefleischte Teufel, weil sie sich durch ihre eigenen Sünden dem Willen des bösen Geistes gleichförmig gemacht haben und dadurch selbst die Tätigkeit von bösen Geistern ausüben. Sie teilen mich, die wahre Sonne, inmitten der Finsternis der Sünde aus und verbreiten so die Finsternis ihres ungeordneten sündhaften Lebens auf die übrigen Geschöpfe aus, die ihnen unterstellt sind. Sie bedecken die Seelen mit Schande und erfüllen sie mit Schmerz, die auf diese Weise Zeugen ihres zügellosen Lebens sind. Oft werfen sie sogar Zweifel und Beunruhigung in die Gewissen, die sich vom Stand der Gnade und vom Weg der Wahrheit abbringen lassen. Und sie in die Sünde hineinziehend führen sie sie den Weg der Lüge, obgleich die, welche ihnen folgen, trotzdem keine Entschuldigung haben, denn keine Macht kann sie ja zur Todsünde zwingen, weder die der sichtbaren Dämonen, noch die der unsichtbaren bösen Geister. Niemand darf sein Leben nach dem einrichten und das nachahmen, was sie tun. Was sie sagen, solltet ihr tun, rät euch meine Wahrheit im heiligen Evangelium. Die Lehre, der ihr folgen müsst, ist jene, die euch gegeben ist im mystischen Leib der heiligen Kirche... Nicht ihr schlechtes Beispiel ahmt nach, sofern ihr ihnen nicht in das Unglück und Verderben folgen wollt, das sie verdienen; hütet euch aber auch, dass ihr sie bestrafet, denn dadurch würdet ihr mich beleidigen. Lasst ihr schuldbeladenes Leben, sammelt von ihnen nur die Lehre. Überlasset aber mir das Strafgericht, denn ich bin der gute, ewige Gott, der jede gute Handlung belohnt, jede Sünde bestraft. Dadurch, dass sie (diese schlechten Priester) meine Diener sind, sind sie meiner Rache nicht weniger ausgesetzt; ihre (priesterliche) Würde schützt sie nicht gegen meine Gerechtigkeit. Im Gegenteil, viel härter noch als die anderen werden sie bestraft werden, wenn sie sich nicht bekehren, weil sie von meiner Güte mehr empfangen haben. Dadurch, dass sie mich so elend beleidigen, ziehen sie sich eine umso schwerere Strafe zu. Sie sind Dämonen, du siehst es ja wohl, wie umgekehrt meine auserwählten Engel auf Erden sind, die beauftragt wurden Engelsdienste zu verrichten!“

Zu dieser Klage Gottes im „Dialog“ Caterinas passt noch, was sie an die verfeindeten Priester in Semignano (wahrscheinlich nach 1375) geschrieben hat: „Ach, wo ist nur die Reinheit der Diener Gottes! Ihr verlangt fleckenlose Reinheit des Kelches, dessen Ihr euch am Altare bedient und weigert Euch, einen unreinen Kelch zu benutzen. Bedenket also, dass Gott, die höchste Wahrheit, eine gleiche Reinheit von Eurer Seele fordert! Wehe mir, wir sehen überall das Gegenteil! Jene, die Tempel Gottes sein sollen, sind zu Schweineställen geworden; sietragen das Feuer des Hasses und der Rache und bösen Willen in ihrer Seele... Wie, Gott habe der Erde noch nicht aufgetragen, Euch zu verschlingen, noch den wilden Tieren befohlen, dass sie Euch zerreißen? Ja, Gott befiehlt noch immer der Erde, dass sie Euch ihre Früchte schenke und dass die Sonne Euch Licht und Wärme spende, und die Gestirne rollen weiter in ihren Bahnen, damit Ihr lebet und Zeit zur Reue habet! Und dies alles tut er aus Liebe!“ (Brief 47)

Man müsste noch, um Caterinas Sicht vom Amtspriestertum klar zu machen auf ihre Briefe an ihre Beichtväter hinweisen. Nur auf die Einleitung aus dem letzten Brief, den Caterina an Raimund von Capua kurz vor ihrem Tod, am 15. Februar 1380, geschrieben hat, sei noch hingewiesen, weil sie sich da so ergreifend schön „Magd und Sklavin der Knechte Jesu Christi“, also der Priester, nennt und Mahnungen gibt, die wie für jeden guten, unter der heutigen Situation der Kirche leidenden Priester geschrieben klingen:

„Ich, Caterina, Magd und Sklavin der Knechte Jesu Christi, schreibe Euch ins einem kostbaren Blute; seid eine neugegründete Säule im Garten der heiligen Kirche, ein treuer Bräutigam der Wahrheit, wie Ihr es sein sollt! Dann wird sich glücklich preisen meine Seele. Und darum will ich nicht, dass Ihr irgendeiner Trübsal oder Verfolgung wegen zurückscheut, sondern will, dass Ihr Euch im Unglück sogar rühmt, denn nur durch unser Ausharren zeigen wir unser Liebe und Standhaftigkeit und ehren den göttlichen Namen, anders aber nicht. Jetzt ist es Zeit, teuerster Vater, sich ganz zu verlieren und sich selbst zu vergessen, wie es die großen Arbeiter (im Weinberg des Herrn) taten, die mit so großer Liebe und Sehnsucht ihr Leben hingaben und, in stetem demütigem Gebet bis zum Tod ausharrend, diesen Garten Gottes mit ihrem Blute tränkten. Sehet zu, dass ich Euch nicht ängstlich und furchtsam sehen muss und dass Ihr Euch nicht etwa gar schon vor Eurem eigenen Schatten fürchtet! Seid vielmehr ein mannhafter Kämpfer und trennt Euch nie vom Joch des Gehorsams, das der oberste Hirte Euch auferlegt hat. Und auch im Orden wirket, was Ihr zur Ehre Gottes wirken könnt. Denn das fordert die große Güte Gottes von uns; und zu keinem anderen Zweck hat er uns gesandt. Seht doch, wie bedrängt die heilige Kirche jetzt ist: in allem ist sie ganz verlassen ... und verlassen wie die Braut ist auch ihr Bräutigam...“ (Brief 102)

Die letzten zwei Lebensjahre verbrachte Caterina auf Wunsch des Papstes in Rom. Sie verbrachte hier ihre Zeit in Gebet, Leiden und Sorgen um die wahre Erneuerung der Kirche, um ihre Einheit und in opferbereiter Hingabe an den Nachfolger Petri, den Papst, den „süßen Christus auf Erden“, über den sie an die Signorie von Florenz schrieb: „Wir können unser Heil nicht anders erlangen als im mystischen Leib der heiligen Kirche, dessen Haupt Christus ist und dessen Glieder wir sind. Wer dem Christus auf Erden, der den Christus im Himmel vertritt, nicht gehorcht, der nimmt am Blute des Gottessohnes nicht teil. Denn Gott hat es so eingerichtet, dass durch dessen Hände Christi Blut und alle Sakramente der Kirche zu uns kommen. Es gibt keinen anderen Weg und keine andere Pforte (zum Heil) für uns!“

Trotz ihrer Qualen und Leiden schleppte sich Catharina in diesen letzten römischen Monaten jeden Morgen eine Meile weit zum Petersdom, um dort zu beten. „Am liebsten würde ich diesen Ort weder bei Tag noch bei Nacht verlassen, bis ich dieses Volk ein wenig beruhigt sehe und geeint mit dem Papst.... Ich sann nur noch darüber nach, wie ich mich Gott zum Opfer für die heilige Kirche darbringen könne. Darauf brüllten die Dämonen furchtbar wider mich auf... Ich aber schrie: „O ewiger Gott, empfange das Opfer meines Lebens in dem mystischen Leib der heiligen Kirche... Nimm mein Herz und drück‘ es aus über dem Angesichte Deiner Braut!““

In St. Peter betrachtete Catharina gern das Mosaik von Giotto, das darstellt, wie Christus das sturmumpeitschte Schiff der Kirche rettet und dem auf den Wassern schreitenden Petrus hilft. Eines Tages glaubte sie, dieses Schiff der Kirche sei dem Untergang nahe. Sie wollte es retten, fühlte sich aber von aller Kraft verlassen. Das Schiff schien auf sie zuzukommen, sie spürte die übergroße Last auf ihren Schultern und brach unter ihr zusammen. Man trug sie nach Hause bei S. Maria sopra Mierva, wo sie regungslos liegen musste, weil die geringste Bewegung ihr furchtbare Pein verursachte. Bald schon hatte sie ausgekämpft. Ihr letzter Schrei fasst ihr Leben im Wort „Blut“ zusammen: „Du, o Herr, rufst mich, und ich komme zu Dir. Ich komme nicht dank meiner Verdienste, sondern allein dank Deiner Barmherzigkeit, welche Barmherzigkeit kraft Deines Blutes ich von Dir erbitte. Blut, Blut!“

So starb Caterina, diese „in christozentrischer Verehrung des kostbaren Blutes und in kirchenmystischem Glauben lebende, hoch begnadete“ Kirchenlehrerin, die den Papst, die Kardinäle und Bischöfe und alle Priester so innig und treu liebte und um deren Heiligkeit so sehr besorgt war. Sie kann nicht bloß der „Bewegung für Papst und Kirche“, sondern auch dem Priesterwerk eine mächtige Fürsprecherin und Lehrerin sein.

Benützte Literatur:

Th. Käppeli, Briefe der hl. K. v. S. in Auswahl, Vechta 1931

l. Taurisano, Dialogo della s. Saterina d. S., Roma 1947

Dolezich, Caterina von Siena, Freiburg i. Br. 1947

Gisbert Kranz, Caterina v. Siena, in: Politische Heilige I. Bd. (Augsburg 1958) S. 46-72